Ein wirklich letztes Mal
Was hat er nicht alles erlebt: Eröffnung 1939, Zerstörung, Wiederaufbau, eine Bedachung, Modernisierungen, Meisterschaften, Schlachten, Historisches, Kurioses. Das alte Eisstadion am Friedrichspark ist eine Kultstätte. Bis 2005 trugen die Adler Mannheim in dem altehrwürdigen Gebäude unweit des Schlosses ihre Heimspiele aus. 10.000 Zuschauer und mehr drängten sich Woche für Woche auf den Rängen, saßen auf den wenig vorhanden Sitzbänken. Es war nicht selten bitterkalt und nass. Aber es war Mannheim. Es war der MERC. Es waren die Adler. Es war der Friedrichspark. Am gestrigen Samstag stattete die Meistermannschaft von 2001, die rund um das Champions-Hockey-League-Spiel gegen Red Bull Salzburg in der Quadratestadt zusammengekommen ist, der alten Wirkungsstätte einen Besuch ab.
Wunderkerzen, Eisgott, Wein aus Kanistern, Styroporblöcke, gar Leitern – im Eisstadion am Friedrichspark war so Manches Normalität, was in Zeiten von hochmodernen Multifunktionsarenen undenkbar ist. Erst eine animierte Anzeigetafel, auf der bei Toren der Adler eine Tierparade mit Musikinstrumenten zu sehen war, später ein für damalige Verhältnisse moderner Videowürfel. Eingelaufen kamen die Spieler durch ein langes schwarzes Tuch, das vor dem Kabinengang herabgelassen wurde. Stets war es laut im Friedrichspark. Unglaublich laut. Die Enge, die Nähe der Fans zum Eis, die Emotionen – all das sorgte dafür, dass der Friedrichspark bei Heimspielen einem Hexenkessel glich. Nun also kehrte ein Teil der Jungs an den Ort zurück, an dem sie Mannheimer Eishockey Geschichte geschrieben haben. Kehrten ein wirklich letztes Mal hierher zurück, bevor im Januar 2024 endgültig die Abrissarbeiten beginnen sollen.
„Das ist wirklich schade, und ein bisschen unwirklich, dass es hier schon so lange kein Eishockey mehr gibt und auch nie mehr geben wird.“ Todd Hlushko, noch immer für die Adler als Scout tätig, schaut von hinter der letzten Sitzplatzreihe ins Weite rund, schüttelt bei dieser Aussage zunächst noch ungläubig den Kopf. Doch schnell huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Erinnerungen steigen in ihm hoch. Genauso wie bei all den anderen Jungs, die an diesem Nachmittag noch einmal in diese besondere Welt eintauchen. Ihn noch einmal spüren können, den Geist von damals. Mitten auf der ehemaligen Piste, die von Blätterhaufen und Staub umrahmt wird. Sofort wird viel gescherzt. Dave Tomlinson greift sich kurzerhand ein herumliegendes Plastikrohr und zieht, beziehungsweise hebt vielmehr sein Trikot, das anlässlich der Zusammenkunft extra im früheren Design produziert wurde, selbst unter das Hallendach.
Der spätere NHL-Star Dennis Seidenberg hat genau hier seine ersten Profischritte gemacht. Im zarten Alter von 19 Jahren. „Ich hatte noch nicht ganz so viel Eiszeit, saß deswegen mit Pulli unter dem Trikot auf der Spielerbank“, erinnert sich der heute 42-Jährige, der seine Karriere 2019 endgültig beendete. Die Spielerbank gibt es längst nicht mehr. Auch keine Bande und schon gar kein Eis. In den Kabinen steht Knöchelhoch das Wasser. Anzeigetafel und Videowürfel sind verschwunden. Keine Wunderkerzen auf den Rängen, keine Styroporblöcke mehr. Schon sehr lange haben keine Fans mehr die Drehkreuze an den Eingängen passiert. An diesem Samstag aber waren sie noch einmal da. Chris Straube, Andy Roach, Todd Hlushko, Dennis Seidenberg, Brad Bergen, Ron Pasco, Mike Stevens, Dave Tomlinson, Stéphane Richer, Jackson Penney, Jean-Francois Jomphe, Michael Bakos, Steve Junker sowie Trainer Bill Stewart und Co-Trainer Ron Ivany. Die Meisterjungs von 2001, die hier im Friedrichspark Mannheimer Eishockeygeschichte geschrieben haben.