Ein Blick auf Europa: Dragons de Rouen
Einmal noch zuhause, einmal auswärts, dann ist die Vorrunde der Champions-Hockey-League-Saison 2023/24 gespielt. Für die Adler läuft es in der europäischen Königsklasse bislang hervorragend. Lediglich zwei Punkte musste das Team von Cheftrainer Johan Lundskog abgeben. In unserer Rubrik „Ein Blick auf Europa“ schauen wir uns den Gegner der vorletzten Partie genauer an: die Dragons de Rouen.
Wenn man ehrlich ist, gehört Frankreich nicht unbedingt zu den ersten zehn Länder, die einem in Zusammenhang mit Eishockey einfallen. Dennoch wird im westlichen Nachbarland Deutschlands schon lange dem Pucksport nachgegangen. Die Ligue Magnus, die höchste französische Spielklasse, wurde bereit 1907 gegründet. Ihr gehören derzeit zwölf Mannschaften an. Der frühere Mannheimer Chris Pouget, der von 1996 bis 1999 die Schlittschuhe für die Adler schnürte, war viele Jahre in Frankreich aktiv und ist noch heute mit 862 Strafminuten in 417 Spielen der Spieler mit den viertmeisten Strafminuten der Ligageschichte. Benoît Laporte, in Deutschland langjähriger Trainer in Augsburg, Nürnberg und Hamburg, war ebenfalls ein erfolgreicher Spieler in Frankreich, feierte vier Meisterschaften und nahm für die Franzosen zweimal an den Olympischen Spielen teil. Einen deutschen Akteur sucht man unter den derzeit Aktiven zwar vergeblich, allerdings finden immer wieder ehemalige DEL-Spieler den Weg nach Frankreich, so aktuell beispielsweise Brent Aubin und Anthony Rech. Mit Gabriel Chabot verdient der Sohn von Ex-Adler-Schlussmann Frédéric Chabot sein Geld in Chamonix.
Damit genug der Exkursion zum französischen Eishockey im Allgemeinen und hin zu Rouen. Die Hafenstadt im Norden Frankreichs gehört mit 115.000 Einwohnern zu den kleineren Großstädten Frankreichs, zählt aber zu den ältesten und geschichtsträchtigsten. Erste Siedlungsnachweise lassen sich bereits aus dem 9. Jahrtausend vor Christus finden. Immer wieder litt die Stadt unter kriegerischen Einflüssen, beispielsweise während des Französisch-Englischen, des Deutsch-Französischen Krieges und des zweiten Weltkrieges. Die französische Nationalheldin Jeanne D´Arc wurde auf dem Marktplatz in Rouen öffentlich verbrannt. Zahlreiche religiöse Bauwerke wie die Kathedrale mit Bischofssitz und die Kirche Saint-Quen zeugen vom großen Einfluss der Kirche. Den Rouen Hockey Club gibt es seit 1978. Seit 1996 tritt er offiziell unter dem Namen Rouen Hockey Elite 76 auf, der aber nur selten verwendet wird. Seit 1985 gehören die Drachen ununterbrochen der ersten Liga an, feierten in dieser Zeit insgesamt 17 Meisterschaften, die erste 1990. Von 1992 bis 1995 konnte sich Rouen gleich vier Titel hintereinander sichern, von 2009 bis 2013 gelangen ihnen dasselbe Kunststück. Seit 2015 standen die Gelb-Schwarzen mit Ausnahme der Saison 2021/22 immer im Finale, gewannen in dieser Zeit vier weitere Male die Trophäe. Der jüngste Erfolg datiert aus der vergangenen Spielzeit.
Erneut eine schlagfertige Truppe
Mit den bereits erwähnten Laporte und Rech spielten beziehungsweise spielen zwei in Deutschland bekannte Namen für die Drachen. Unter diese Kategorie fällt international sicher Pierre-Édouard Bellemare. Der Stürmer der Seattle Kraken begann seine Profi-Karriere 2002 in Rouen. Verteidiger Dylon Yeo gehört inzwischen seit drei Jahren zum Team, war zuvor in der PENNY DEL für Straubing, Iserlohn und Schwenningen aktiv. In der nationalen Liga ist das Team von Cheftrainer Fabrice Lhenry derzeit das Maß aller Dinge, gewann die ersten neun Partien und steht damit ungeschlagen an der Tabellenspitze. Guy Fournier, der als Spieler von 1988 bis 1996 für die Drachen aufs Eis ging, im Anschluss bereits Trainer sowie Co-Tainer des Clubs war und inzwischen als Manager fungiert, ist es gelungen, eine abermals schlagfertige Truppe zusammenzustellen. Denn nach der Meisterschaft verließen acht Spieler den Club, darunter mit Francois Beauchemin (Olten), Christophe Boivin und Kelsey Tessier (Karriereende) die drei besten Punktesammler des Teams.
Der erst 21-jährige Quentin Tomasino entwickelt sich in diesem Jahr dafür zum Goalgetter, war bereits siebenmal in dieser Saison erfolgreich. Zudem lebte Rech sich hervorragend ein, ist derzeit mit fünf Toren sowie sieben Vorlagen der erfolgreichste Spieler. Die Neuzugänge Marcel Hascak aus Bratislava und Francis Perron wurden ebenfalls sofort zu tragenden Stützen der Offensive. Perron ist in der Champions Hockey League derzeit der Topscorer der Dragons, allerdings verliefen die ersten vier Partien aus Sicht der Franzosen eher ernüchternd. Drei Niederlagen, darunter ein 3:5 gegen Ingolstadt, ein klares 3:8 gegen Lahti und ein 1:9 gegen Genf, stehen nur einem Sieg gegenüber. In der Tabelle bedeutet das Platz 20. Dennoch sind die Playoffs rein rechnerisch noch möglich.
Frankreich mag nicht die große Eishockeynation sein, doch gerade in Rouen sorgen die Dragons für Begeisterung. Regelmäßig füllen die Drachen ihr kleines, beschauliches Stadion mit 3.279 Zuschauern. Der eine oder andere große Name tauchte und taucht in Zusammenhang mit dem französischen Eishockey auf und so ist auch in unserem Nachbarland eine gewisse Leidenschaft für den Pucksport zu spüren.