The cup is coming home
Das Sturm-und-Drang-Stück endete mit einem blau-weiß-roten Happy-End und mit einem Song, der den mitgereisten Mannheimer Fans, den Spielern, Trainern und Offiziellen in der Münchner Eishalle noch einmal so richtig Gänsehaut bereitete. "The cup is coming home", stand auf einem Tuch. Genau diese Strophe stimmten die Anhänger in dieser emotionsgeladenen wie mitreißenden Atmosphäre an. Zunächst leise, dann immer lauter, und schließlich gerieten die fünf Worte zum Gebet. Die Botschaft war klar und laut vernehmlich: Die Meisterschaftstrophäe wanderte wieder nach Hause zurück, in die Vitrine nach Mannheim, zum vierten Mal seit 1997 und zum fünften Mal insgesamt.
Die Adler demonstrierten in der hochklassigen Serie gegen die bärenstarken München Barons eindrucksvoll ihre Vormachtstellung im deutschen Eishockey. Das sportliche Flaggschiff der Kurpfalz eroberte mit der finalen Darbietung an diesem 20. April einmal mehr die Herzen seiner leidenschaftlichen Anhänger. Als der Mannschaftsbus um 05.30 Uhr das Eisstadion am Friedrichspark erreichte, zischten Raketen in den Morgenhimmel. Mehrere Hundert hatten ausgeharrt und bereiteten den Helden, die mal wieder wagemutig auf dem Dach des Busses tänzelten, einen triumphalen Empfang. "Das ist der helle Wahnsinn", stammelte Mike Stevens, der Mann, der nach exakt drei Minuten und einer Sekunde in der Overtime um 23.01 Uhr den meisterlichen Treffer landete, der die Adler mal wieder in den siebten Himmel emporsteigen ließ.
Doch der Weg dorthin war verdammt steinig. Wer diese Saison oberflächlich Revue passieren lässt, wird sich an Wochen erinnern, in denen die Adler spielerisch nicht brilliert haben. Der penible Statistiker wird drei Heimspiele finden, in denen die Adler keinen Treffer erzielten. Und der Kritiker wird behaupten, dass die qualitativ gut besetzte Truppe den Gegner nicht in dem Maße beherrschte wie eigentlich vom eigenen erwartungsfrohen Anhang erhofft.
Bill Stewart und das Gewinner-Serum
Doch wer genauer hinschaut und diese Spielzeit 2000/2001 mit der Lupe untersucht, der wird wiederum folgende Fakten zusammentragen: Die Adler schossen in der Vorrunde die meisten Tore und kassierten die wenigsten Gegentreffer. Sie verfeinerten ihr System von Woche zu Woche, wobei es der akribisch arbeitende Bill Stewart glänzend verstand, aus hervorragenden Individualisten hart arbeitende Teamworker zu formen.
Teamwork, Mannschaftsgeist, Hingabe zum Beruf: Stewart lebte diese Eigenschaften mit jeder Faser seines Körpers vor. Der Kanadier war ein Workaholic, ein Arbeitstier. "Bill tut alles, um zu gewinnen", sagt Manager Marcus Kuhl. Stewart, der Winner-Typ, infizierte seine Truppe mit dem Serum, das sich aus Wille, Leidenschaft und Verbissenheit zusammensetzte und den Kufencracks Flügel verlieh. Denn so talentiert dieser Adler-Jahrgang auch sein mochte, Begabung alleine reichte in dieser ausgeglichenen Liga schon lange nicht mehr.
Robert Müller springt in die Bresche
Was letztendlich auch zu einer Meisterschaft führen kann, sind Kleinigkeiten, die Großes bewirken. Zum Beispiel die Leidensgeschichte des Mike Rosati. Am 22. Februar bekam der Torwart einen Schlagschuss von Jan Alston während des Trainings auf den Knöchel. Die Diagnose löste Alarmstufe eins aus. Der Knöchel war glatt durchgebrochen, doch das Adler-Management wollte keine Unruhe schüren: "Knöchelprellung" hieß es in der offiziellen Verlautbarung. Dass Rosati zu den Playoffs wieder im Tor stand, grenzte an ein medizinisches Wunder. Gleichwohl, der international erfahrene Haudegen war noch nicht hundertprozentig fit. Wie gut, dass Robert Müller als Back-up-Goalie nervenstark in die Bresche sprang. Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass beim riskanten, aber im Prinzip konsequenten Wechselspielchen auf der Torwartposition Bill Stewart alles richtig gemacht hatte. Rosati und Müller, der beim 4:3-Heimsieg gegen die Berlin Capitals das Match aus dem Feuer riss und auch beim 7:5 in Hannover sensationell hielt, verdienten sich dicke Lorbeeren.
Ein anderer quälte sich durch die Playoffs. Ron Pasco, der Mann mit den zwei Lungen. Der Dauerkämpfer hatte sich beim zweiten Duell in Berlin verletzt. Er schrie vor Schmerzen, humpelte in die Kabine, kam aber zum letzten Drittel wieder zurück. Zwei Tage später war klar: Kreuzbandriss. Auch diese Hiobsbotschaft drang nicht nach außen. Pasco biss auf die Zähne und hielt durch bis zu jenem 20. April.
Unbändiger Wille
Oder Francois Groleau: Auch der kantige Verteidiger verletzte sich im Training und musste gar am Knie operiert werden. Jeden Tag schindete er sich stundenlang für sein Comeback. Nach knapp vier Wochen ging der Franko-Kanadier wieder auf das Eis und konnte in den Begegnungen gegen die München Barons wieder auflaufen.
Diese drei Beispiele - Rosati, Pasco, Groleau - verdeutlichten, welche Leidenschaft und Einsatzbereitschaft in dieser Mannschaft steckten. Nur am Rande sei erwähnt, dass Devin Edgerton am Ende der Saison nur noch unter staken Schmerzen auflaufen konnte und sich in München einen Finger brach, Todd Hlushko seinen ebenfalls in Berlin erlittenen Muskelanriss nie ausheilen ließ und Wayne Hynes trotz permanenter Rückenbeschwerden das Trikot wie selbstverständlich überstreifte.
Belohnung für harte Arbeit
Diese kämpferische Haltung sprach dafür, dass sich die Profis mehr denn je mit den Adlern identifizieren. Sie gaben zurück, was sie von ihrem Arbeitgeber bekommen hatten. Aber was heißt schon Arbeitgeber? Hinter der Adler Mannheim Eishockey GmbH verbirgt sich eine intakte Organisation. Die beiden Hauptgesellschafter, Dietmar und Daniel Hopp, stehen in fester Verbundenheit zu den Adlern und haben eine ebenso angenehme wie motivierende Arbeitsatmosphäre geschaffen. So wurde bei den Adlern in den letzten Jahren mit generöser Unterstützung der Hopps ein professionelles Umfeld gestaltet, auf der anderen Seite bleibt aber alles familiär und stets ruhig.
Auch in Zeiten, als es bei den Adlern sportlich nicht so rund lief, kam nie Hektik auf. "Wir sind auf dem richtigen Weg", sagte Marcus Kuhl in den schweren Anfangsmonaten dieser Saison: "Wir müssen nur Geduld haben." Diese Geduld hieß aber auch hartes Arbeiten. Das wurde auf allen Ebenen getan und belohnt. Mit der Meisterschaft und einem Song, der zum Münchner Ohrwurm wurde: "The cup is coming home."